Deutschland hat eine bedeutende Tradition im Vereinsleben, wie die neuesten Umfrageergebnisse von Anna Lindh / Gallup belegen. Die Autoren argumentieren, dass sich heutzutage viele Menschen dafür entscheiden, soziale Bewegungen zu unterstützen, die auf flexibleren Arbeitsstrukturen beruhen und häufig als Antwort auf bestimmte Themen entstehen. Vor dem Hintergrund des zunehmenden grenzüberschreitenden Interesses, aber des begrenzten Wissens über das Mittelmeer, greift das deutsche Netzwerk der Anna Lindh Stiftung auf bürgerschaftliches Engagement zurück, um das gegenseitige Verständnis zu erweitern.
Das Jahr 2010 endete mit einer Protestbewegung in Tunesien, die sich in den folgenden Monaten über die meisten Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens ausbreiten sollte. Später demonstrierten Demonstranten auf der ganzen Welt gegen die Macht der Banken und ihre Rolle in der Finanzkrise, gefolgt von Protesten gegen strenge Sparmaßnahmen, die als politische Sanktionen umgesetzt wurden. Es scheint, dass sich die globale Gesellschaft seit 2011 zunehmend in einem Zustand der Mobilisierung befindet. Wie passt die deutsche Zivilgesellschaft in dieses Muster? Was ist mit seinem Engagement? Mit einem Blick in die Anna Lindh / Gallup-Umfrage 2012 versucht das deutsche Netzwerk der Anna Lindh-Stiftung Antworten auf diese Fragen zu finden.
Engagement in der deutschen Zivilgesellschaft
Verbände können als dominante Organisationsform der deutschen Zivilgesellschaft angesehen werden, eine Form des gesellschaftlichen Engagements, die ihren Ursprung in der deutschen Geschichte hat. Bereits 1910 erklärte Max Weber, die Menschen seiner Zeit seien “Verbandsmenschen” mit einer Verhältnis von einem Verein pro 100 Bürger oder 20 Familienmännern (Weber, 1988). Heute werden jedes Jahr deutschlandweit 15.000 neue Vereinigungen gegründet, und etwa 50% des gesamten bürgerschaftlichen Engagements entfallen auf Aktivismus durch Vereinigungen (Robertson von-Trotha, 2009). Eine Tatsache, die sich auch in der Anna Lindh / Gallup-Umfrage widerspiegelte, als die Befragten die effizientesten Möglichkeiten bewerteten, um zur Lösung von Problemen im Land beizutragen, wobei die drei Spitzenpositionen in der Rangliste von verschiedenen Formen der Gruppenbeteiligung besetzt wurden: Beitritt zu sozialen Bewegungen (25% ), Beitritt oder Unterstützung einer politischen Partei (20%), Beitritt zu einer NRO (13%). All dies ist wichtiger als die Nutzung sozialer Medien, um politische Ansichten auszudrücken, sich zusammenzuschließen oder Anliegen zu unterstützen (11%), eine modernere Form der Beteiligung. Dies kann auch die Altersstruktur der deutschen Bevölkerung widerspiegeln. (Grafik 20.1). Während traditionelle Vereine den lokalen Kontext und die Gruppe als Zentrum der Aktivitäten stark in den Mittelpunkt stellen, sind viele der neueren Organisationen der Zivilgesellschaft offener. Infolgedessen hat die Mitgliedschaft in traditionellen Vereinen abgenommen, während die Attraktivität anderer Gruppen, die auf der Idee der Freiwilligenarbeit und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit beruhen, zugenommen hat.
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